Automatisiertes Agieren: 12. Mai 2022, 19 Uhr c.t.

Vortrag am 12. Mai 2022 – 19 Uhr c.t. im HS 1098 (Kollegiengebäude I)

Thema: Automatisiertes Agieren in ungewissen sozialen Räumen – Offene rechtspolitische Fragen im Kontext von (teil-)autonomem Fahren bis zu automatisierten Steuerbescheiden

Referentin: Dr. Eva Geisberger, Informatikerin und (Rechts-)Soziologin, München

Folien: Die Folien der Präsentation sind hier zum Download verfügbar.

Abstract: Bereits heute sind automatisierte Fahrerassistenzsysteme im öffentlichen Straßenverkehr zugelassen und vermehrt unterwegs (aktiver Spurhalte-, Spurwechselassistent; neues StVG, § 1a- 1j). Ihre Präsenz in ADAC-Testberichten, Videodemonstrationen (YouTube) und Bewertungs- portalen sowie Unfallberichten werfen nicht nur offene Fragen bezüglich Verlässlichkeit, Sicherheit und Rechtsrahmung auf, sondern auch hinsichtlich gesellschaftlicher Akzeptanz, Zulassungs- fähigkeit, Sicherung der Bürgerrechte und demokratiepolitischer Gestaltung der Systeme.

Der Vortrag führt ein in die steuerungs- und sicherheitstechnische Definition, Einordnung und institutionelle Rahmung (teil-)autonomen Fahrens, erläutert die Grenzen der Technik und verdeutlicht den grundlegenden Wandel von instrumenteller Technik hin zu plakativen Visionen ‚intelligenter‘ Systeme und Infrastrukturen. Sie agieren in offenen sozialen Kontexten, ‚lernen‘ anhand ihrer ‚Umgebung‘ und können entsprechend autonom und zielgerichtet ‚handeln‘: so die BMBF-Plattform Lernende Systeme mit ihren Experimentierfeldern und „Geschäftsmodellinnovationen“ in Form von öffentlich-privaten Dienstleistungsplattformen (ÖPP) in den Bereichen Mobilität, Gesundheit und Pflege, oder die automatisierte Steuerverwaltung mithilfe ELSTER.

Anhand der Charakterisierung historisch entstandener Infrastruktursysteme und ihrer zugehörigen Rahmenbedingungen (Ordnungskonzepte, rechts-/wirtschaftspolitische Regulierung, Norm(ier)ung) wird die diesen Systemen inhärente Formatierungs- und Konstitutionalisierungsmacht sozialer Räume aufgezeigt. Neben offenen zivil-/strafrechtlichen Haftungs- und Zurechnungsfragen werfen sie verfassungsrechtliche wie demokratiepolitische Fragen auf und fordern eine technische wie rechtliche und politische Accountability ein – auch hinsichtlich der mit der Skalierbarkeit der Systeme und ihrer Geschäftsmodelle verbundenen Verteilungs- und Sozialordnungseffekte.

Begriffe aktueller EU-Rechtsrahmung Künstlicher Intelligenz, wie „vertrauenswürdige KI“, „solide Risiko-Methodik“, „Human-in-the-Loop“ oder „Daten-Governance“ werden damit ‚in Frage‘ gestellt.